Selbstbestimmt entfalten - Was bedeutet das eigentlich?






Auf meinem persönlichen Weg in mein Inneres, hin zu meinem wahren Selbst, wann auch immer sich mir dieses und ob überhaupt es sich mir jemals offenbaren wird - ein Versuch ist es wert - komme ich nicht an dem Thema Frausein vorbei. Das heißt, ich komme daran vorbei, sonst würde ich ja nicht nicht daran vorbeikommen…einfach ausgedrückt, es taucht immer wieder auf und beschäftigt mich. 

Wenn ich so zurückblicke und mein vergangenes Ich in all den verschiedenen Rollen, die es so inne hatte, betrachte, stelle ich in erster Linie eines fest. Oberfläche. Absolute Orientierung an den äußeren Umständen. Absolut fremdgesteuert. Unverbunden. Nur darum waren sie überhaupt möglich, all diese verschiedenen Rollen, als Frau und Mutter. 

Vier Schwangerschaften und Geburten waren notwendig um mir die tiefe Kraft meiner Weiblichkeit bewusst zu machen. Die Alleingeburt meines vierten Kindes, inklusive der Alleingang des letzten Trimesters dieser Schwangerschaft, katapultierten mich von meinem bis dato gelebten Ich Lichtjahre weg. 
Die Stimme meiner Führung entspringt ab dem Zeitpunkt, da ich mich nach der vollkommen überraschenden Empfängnis für das Kind in mir entschied, meiner Intuition. 

Ich haderte, ich dachte ‚Du kannst jetzt nicht schon wieder ein Kind bekommen. Schon gar nicht unter diesen Umständen. Du hast dich dafür entschieden, dass deine Tochter nicht bei dir lebt und jetzt das nächste? Was werden nur die anderen denken.‘. Aus Angst und Verzweiflung besorgte ich im Drogerie-Markt Vitamin C-Pulver und brühte Petersilien-Tee (Ich liebe Kräutertee, ich bin eine Kräuterfrau aber dieses Zeug :( Pfui!). Internetrecherchen zum Thema ‚Abgang auslösen‘ ergaben für mich diese beiden Mittel als Wahl. Ich wollte dem Zwerg die Gelegenheit geben, wieder zu gehen. 

Immerhin war ich gerade mit meinen beiden großen Söhnen nach Berlin gezogen. Die Wohnung noch voller Kartons. Ein zweites Mal studieren. Germanistik und Slawistik. Gelegentlich um die Häuser ziehen. Das Freiheitsgefühl vom ersten Studium in Berlin nochmal aufleben lassen. In Cafés sitzen, lernen und quatschen. So war mein Plan. 

Die ganze Aktion endete nach ein paar krampfartig zwingenden Schlückchen Petersilienbrühe und einigen Löffeln Vitamin C mit mir in Tränen auf der Badewanne zusammensinkend. Die Frage in mir aufblühen „Was will denn eigentlich ICH? Kann es ein, dass ich das nur wegen den anderen mache?“ 

In den folgenden Tagen sicherte ich mich bei „meinem“ Gynäkologen über die Möglichkeit einer Abtreibung ab. Ich wollte es nicht ausschließen. Das Studium hatte begonnen und nach wenigen Wochen musste ich feststellen, dass mir keines der beiden gewählten Fächer gefiel. Ich war das nicht mehr. Ich durfte erkennen, dass ich keine Geisteswissenschaftlerin mehr war. Es interessierte mich einfach nicht mehr. Es zog mich weg vom Verstand auf eine andere Ebene. 

Dann erinnerte ich mich an die Worte eines bekannten Therapeuten. „Man kann ja innerlich einfach mal diesen Raum aufmachen und hineingehen. Und dann einfach mal fühlen. Wie fühlt sich das an.“ Also machte ich Räume auf. Kind behalten. Kind abtreiben. Und quasi sofort war die Entscheidung klar. 

Ich entschied mich für mein Kind und gegen die Uni. Und jetzt konnte ich endlich über die Absurdität meines Lebens lachen, denn es wurde mir plötzlich klar, dass es nicht meine Entscheidung gewesen war, nach Berlin zu gehen. Genauso wenig wie es meine Entscheidung gewesen war, mit dem Vater meines Sohnes zu schlafen. Da war etwas anderes am Werk. Etwas Höheres. Unübersehbar.

Der Vater, ein Bekannter von früher. Als ich nach Berlin fuhr um unsere Wohnung zu finden, war mein Plan, auf einen Kaffee ‚Hallo‘ zu sagen. Aus diesem Hallo entwickelte sich innerhalb weniger Stunden ein gegenseitiges, ungemein tiefes und wahres ‚Ich liebe dich‘, das in dieser Intensität genau eine Woche anhielt. Die Verbindung hielt noch einige weitere Wochen und schlich sich meinerseits aus, bis ich sie für die Beziehungsebene kappte. 

Plötzlich verstand ich, dass ein anderes, höheres Prinzip da mächtig die Finger im Spiel hatte und ich sagte ‚Ok, ich weiß nicht, warum ich nach Berlin gekommen bin, wenn ich nun das Studium nicht mache. Ich lasse alle meine Vorstellungen von nun an los. Es wird sich schon zeigen, warum es so ist.’.

Ich spürte von Beginn an den tiefen Wunsch, die Geburt vollständig alleine zu erleben. Trotzdem benötigte es nochmal für ein halbes Jahr das Verfolgen der gewohnten Schritte (Hausgeburtshebamme, Gynäkologe), bis ich den Mut fand, mein Gefühl in die Tat umzusetzen und damit nach Außen zu gehen. „Ich bekomme mein Kind alleine.“.

Jeden Tag dieser Schwangerschaft nachdem ich mein ‚JA!‘ für dieses Kind gefunden hatte, gebar ich es in meine Hände. Diese besondere Geburt war ein Geschenk meines Lebens an mich. Ich badete in Vertrauen. Bis zum letzten Moment gab es für mich keinen Zweifel an dieser Entscheidung. Es war vielleicht die erste Entscheidung in meinem Leben, die so vollkommen meinem Bauchgefühl entsprang. 

Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen hart und unfair, in Hinblick auf die anderen drei Schwangerschaften und Geburten. Aber nein. Diese drei ersten gesunden und wundervollen Schwangerschaften, die durchweg komplikationsfreien Geburten waren mein Weg zu dieser vierten Geburt. Sie waren notwendig für mich um dieses Vertrauen zu finden. Hätte mir vor dieser Schwangerschaft jemand was von Alleingeburt erzählt, ich hätte mir wahrscheinlich mit dem Finger an die Stirn getippt.

Sie waren notwendig, um mich mit meiner Intuition zu verbinden. 

So ein bisschen wie „Sie hat es immer noch nicht verstanden. Dann bekommt sie eben noch ein Kind.“ :D 

Nachdem ich diese Urkraft gespürt hatte, dreht sich die Spirale in Sachen Frau sein immer weiter. Mir wurde zunehmend bewusst, wie rollenbesetzt Frauen- als auch Männerbilder sind. Wie ich bei aller Andersartigkeit doch immer wieder an überlieferte Muster andockte. Anders, aber bitte nicht auffällig. So irgendwie das Eigene, aber so, dass die anderen sich nicht allzu viel daran stoßen. Kurz gesagt, Kompromisse wohin das Auge reicht. Und zwar nicht einfach darin, Dinge auf diese oder jene Weise zu machen.

Nein, Kompromisse darin, zu SEIN. Ich selbst zu sein.

Das ist der Punkt um den es sich dreht. Ich bin nicht anders, nur weil ich die Dinge anders als andere machen. Naja, ein bisschen vielleicht. Aber solange ich in mein Fühlen, Handeln und Denken die möglichen Gedanken der Anderen einfließen lasse, mich also davon be-ein-flussen lasse, lasse ich mich selbst nicht vollständig zu. 

Solange ich meine Entscheidungen an den Meinungen der Anderen ausrichte, treffe ich keine freien Entscheidungen. Ja, vielleicht nicht einmal eigene Entscheidungen. Denn es ist ja vielleicht gar nicht das, wofür ich mich entscheiden würde, sondern das, wofür sich die anderen entscheiden würden…

Unsere Kultur ist auf dem Denken aufgebaut. Die Geschichte der westlichen Zivilisation ist hochgradig durchsetzt von auf dem Verstand begründeten Philosophien. Allein dadurch ist es möglich, Rollen zu kreieren. Weil wir nicht mehr erkennen, dass es nur eine einzige Rolle gibt. Und die heißt Selbst sein. 

Wir wollen jemand sein. Wir wollen uns verändern. Wir wollen nicht anecken (denn das hieße unter Umständen auch, andere zu verletzen), letztendlich bedeutet es aber nur, dass wir nicht ehrlich sein wollen. Weil wir Angst haben. Diese Angst entspringt zumindest unter den Menschen meiner Generation zum größten Teil mangelbehafteten Kindheitserfahrungen. Dazu möchte ich hier jetzt aber nicht näher eingehen. 

Es gibt für alles Vorgaben: Wir wir auszusehen haben, was für Kleidung wir zu tragen haben, wie wir uns zu ernähren haben, wie wir mit unseren Kindern umzugehen haben, wir wir unsere Beziehung zu führen haben. Wie wir unser Leben zu leben haben. 

Es ist so leicht, sich ablenken zu lassen. So leicht, sich zu verlieren. 

Mein Weg führt mich seit nun fast zwei Jahren zu mir zurück. Zumindest der von mir bewusst wahrgenommene Weg. Und ich weiß nun, dass eine Sache definitiv zu diesem Weg dazu gehört. 

Loslassen. Loslassen, was beschwert. Loslassen, was Energie nimmt anstatt zu geben. Loslassen, was ich nicht nähren will.

Jede Idee, jede Überlegung die wir nicht in die Tat umsetzen liegt in uns herum, gammelt irgendwann vor sich hin. Da hat sich schnell einiges angesammelt, insbesondere wenn man sich noch nie so richtig ans Aussortieren gemacht hat. 

Der Weg in mein ganz persönliches Ichsein, hinein in die Frau, die ich dann letztendlich in mir finden werde und auf diesem Weg der ewigen Wandlung zunehmend werde, ist kein leichter Weg, keinesfalls. Es ist ein Weg der Selbstkonfrontation. Ein Weg der Ehrlichkeit. Auch ein Weg des Schmerzes. Und je tiefer ich komme, umso dunkler wird es. Umso heftiger kann es weh tun. 

Der einzige Halt ist dann mein Vertrauen. Vertrauen in den Lauf der Dinge. Gepaart mit der Bereitschaft, die volle Verantwortung für meine Entscheidungen zu übernehmen. So unüberschaubar und unkontrollierbar ihre Auswirkungen auch sein mögen (Was sie ja immer sind, unser Verstand möchte uns aber glauben machen, dass wir Kontrolle hätten). 

Unzufriedenheit entspringt einem Mangel an Selbstakzeptanz und Selbstannahme. Solange ich mich selbst nicht annehme, suche ich im Außen nach Erfüllung und Sinn. Solange ich nicht erkenne, dass alles was ich brauche in mir selbst liegt, bleibe ich der verstandesmäßigen Oberfläche verhaftet.

Leben geschieht nur von Innen heraus. Ausschließlich. Jeder Samen öffnet sich ungesehen in der Dunkelheit. Er kann nicht anders, als sich zu entfalten. Solange wir ihn lassen.

Die äußeren Umstände sind nebensächlich. Wir wachsen aber in dem Glauben, in der Illusion, auf, dass eben diese Äußerlichkeiten unsere Leben bestimmen, dass sie der Mittelpunkt unseres Daseins sind. 

Wirklich tiefe und damit bewegende und ausschlaggebende Erfahrungen machen wir aber nur im Reich des Fühlens. Der siebte Sinn, die Intuition, schlummert in uns allen. Dort finden wir unseren Plan. Dort liegt das Geheimnis unseres persönlichen und vollkommen individuellen Weges des Wachstums und der Entfaltung. 

Vertrauen beutetet für mich nicht, Vertrauen in die äußeren Umstände zu haben. Das wäre töricht. Vertrauen bedeutet für mich, in mich selbst zu vertrauen. In meine Intuition. In meinen mir innewohnenden Plan. 

Selbstbestimmung bedeutet dann nichts weniger als diesem inneren Plan zu folgen. Sprich, meinem Bauchgefühl zu folgen. Wie auch immer die äußeren Umstände sein mögen. 

Die Frau, die ich bin, finde ich in keiner der Millionen Möglichkeiten die uns die heutigen Kulturen der Welt bieten. Sie finde ich nur in mir und nur dann, wenn ich bereit bin, jede Vorstellung, die ich über mich habe, oder die andere über mich haben, gehen zu lassen. Nur dann, wenn ich bereit bin, mich, meine Oberfläche, sterben zu lassen. 

Dies ist der Weg den ich gewählt habe. Es ist ein Weg der Freiheit, der mich zur Annahme meines Selbst führt. Dann, und erst dann, kann ich mich in vollem Vertrauen und aus der Mitte meiner Kraft heraus selbstbestimmt entfalten. <3


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