WELTREISE #1 Besitztümer und wie sie uns besitzen
- Es
ist soweit: Heute verlässt die erste große Sache unsere Wohnung.
Bis zur Wohnungsübergabe bleiben knappe vier Monate. Bis dahin
sollen alle unsere Besitztümer einen neuen Platz in ihrer Existenz
gefunden haben. Nur die alte Nähmaschine meiner Uroma, dieser
hüfthohe, abgewetzte Holzkasten wird in meinem Besitz bleiben.
Floris wurde daran geboren. -
Und über die Zeit ist darauf ein Altar
gewachsen. Es ist mein Ort der Gespräche und Gebete. Hier leuchten
Kerzen und glimmt Räucherwerk. Hier finde ich Vertrauen und
Zuversicht.
Mich
dazu zu entschließen, dass ich meinen Hausstand nicht einlagern,
sondern auflösen werde hat einige Zeit gedauert. Warum ich mich
letztendlich dazu entschlossen habe, mich von meinem Besitz zu
trennen liegt in erster Linie daran, dass ich einmal spüren möchte,
wie es ist, an nichts gebunden zu sein. Ich bin dann äußerlich frei
und muss mich um nichts kümmern. Außer ich will es. Ich sehe keinen
Sinn darin, mein Leben auf diese Weise fortzuführen. Also macht es
auch keinen Sinn, diese Dinge zu besitzen, die mich an dieses Leben
binden. Gleichwohl stellt sich diese Trennung emotional betrachtet
als gar nicht so einfach heraus. Neben meinem Wohlgefühl und meiner
Klarheit, diesen Weg gehen zu wollen, kommen auch Ängste zum
Vorschein. Die haben in erster Linie mit dem Unbekannten zu tun. Wie
soll das werden? Darauf kann ich natürlich keine Antwort liefern da
es im Außen noch nichts gibt, woran ich mich festhalten kann. Ich
weiß nicht, wo es uns als erstes hin verschlägt, geschweige denn
wie sich die Situation entwickeln wird.
Und
plötzlich sind mir all diese Dinge scheinbar wichtig. Der
Milchaufschäumer, der schon ewig nur im Schrank steht, der aber eine
Zeit hatte, in der ich ihn liebte (es ist ein wirklich guter,
manueller Aufschäumer, der wunderbaren Milchschaum macht <3). Da
hängen Erinnerungen dran. Und ich merke, wie mich die Erinnerung
binden will. Sie suggeriert mir eine schönere Version meines Lebens.
Damals, war ich jünger, unbeschwerter, das war so schön...ja,
lieber Milchaufschäumer-Erinnerung, das war es und weißt du was?
Genau da begebe ich mich wieder hin. Jünger geht nicht mehr, ok.
Aber ich will wieder unbeschwert sein und jeden Morgen mit der
Gewissheit aufwachen, dass ich mir mein Leben so erschaffen kann, wie
ich es will. Mein Wille basiert dabei nicht auf meinem trotzigen
inneren Kind sondern auf meiner inneren Stimme, meinem Gefühl, das
mit dem großen Ganzen in Verbindung steht.
Mir
wird bewusst, dass es im Lauf der nächsten vier Monate ganz oft "ein
letztes Mal" geben wird. Gestern habe ich zum letzten Mal Wäsche
zum Trocknen auf die selbstinstallierte Wäscheleine unter unserer
Hochebene aufgehängt. Heute werde ich zum letzten Mal die Wäsche
dort abhängen. Denn heute kommt sie weg. Sie hat war knappe 8qm
ungestörte Spielfläche für Morik. Klettergerüst und
Schaukelhaken. Morik liebt sie und ich liebe Morik mit dieser tollen
Spielgelegenheit.
Ja
und das macht natürlich was, dieses "letztes Mal"-Denken.
Da geht es um Gewohnheiten und Abläufe. Nicht nur äußerlich, wie
dass ich bspw. den Kühlschrank auf diese und jene Weise einräume um
wenigstens dort Ordnung zu haben (was, nur nebenbei gesagt, auch
nicht wirklich lange hält). Es geht auch, und insbesondere, um
innere Abläufe. Situationen in denen ich für gewöhnlich so oder so
reagiere. Dinge dich ich sage, Gefühle, die ich fühle. Die sind ja
alle an meinen Alltag gebunden. Ich bin wie ich bin weil mein Leben
ist wie es ist. Und das genügt mir nicht mehr. Ich kann mein So-Sein
akzeptieren und lieben lernen. Aber ich spüre so sicher, dass
Potenziale in mir liegen, die eine andere Umgebung benötigen, um
sich entfalten zu können.
Ich
nehme uns nichts weg. Ich gebe uns unsere Freiheit zurück. Mir und
Jona. Morik und Floris sind noch nicht eingebunden in das System. Sie
"müssen" noch nicht. Außer ich bekomme die Krise und
denke, dass ich meinen Willen durchsetzen muss.
Wenn
ich meine Dinge einlagern würde, würde das implizieren, dass ich
vorhabe, zurückzukommen. Ich weiß aber nicht, ob ich das vorhabe.
Es würde bedeuten, dass ich mich in einer scheinbaren Sicherheit
wiegen kann. "Ich habe ja meine Besitztümer, mir kann nichts
passieren." Es würde bedeuten, dass ich mich um etwas kümmern
muss und sei es nur in Form von Geld, das jemand von mir möchte,
damit ich meine Sachen, die ich in irgendeiner nichtexistenten
Zukunft wieder brauchen könnte, unterstellen kann.
Ich
will das alles nicht. Je mehr sich in meinem Bewusstsein verankert,
dass ich mit meinen Kindern reisen und mich damit dem System
entziehen werde, desto mehr sträubt sich mein Inneres dagegen,
zurückzuschauen oder auch nur nochmal darüber nachzudenken, ob ich
es nicht doch lieber anders will. Ich weiß nicht, was vor uns liegt.
- Aber ich weiß, dass es besser und schöner sein wird, als jede
Lebenssituation in der ich bisher war! Jeder Tag wird wie die Geburt
von Floris sein. Ein magisches, kraftvolles Erlebnis in dem ich
hingebe und nichts machen muss, als zuzusehen, wie ein Wunder
geschieht. -
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